Die Forschung zeigt faszinierende Fähigkeiten bei Schimpansen, Delfinen, Elefanten aber auch Krabben, Oktopussen usw. – doch es bleibt umstritten, ob das Bewusstsein ist oder nur Instinkt. Erfahre, welche Argumente für und gegen tierisches Bewusstsein sprechen!
Inhalt
- Was ist Bewusstsein?
- Bewusstsein bei Tieren
- Tiere haben kein Bewusstsein: Sieben Argumente
- Tiere haben ein Bewusstsein: Sieben Argumente
- Was folgt?
- Quellen
Was ist Bewusstsein?
Bewusstsein ist ein komplexer Begriff, der sich auf das Erleben und die Wahrnehmung von Gedanken, Gefühlen, Empfindungen und der Umgebung bezieht. Es ist das Gefühl, „da“ zu sein, die Welt um sich herum zu erleben und sich seiner eigenen Existenz bewusst zu sein.
Auf einer grundlegenden Ebene umfasst Bewusstsein das Bewusstsein für äußere Reize (wie Geräusche oder visuelle Eindrücke) und innere Prozesse (wie Gedanken und Emotionen). Es ermöglicht uns, Entscheidungen zu treffen, zu reflektieren und unsere Erfahrungen im Gedächtnis zu speichern.
Philosophisch wird Bewusstsein oft als etwas beschrieben, das nicht vollständig erklärbar ist. Es gibt Theorien, die nur von neuronalen Prozessen im Gehirn ausgehen, andere betonen subjektive Erfahrungen, die wir nicht direkt messen können.
Wir können uns also Fragen: Ist Bewusstsein rein biologisch? Ist es etwas Metaphysisches? Gibt es unterschiedliche Stufen von Bewusstsein? Das sind Fragen, die Kognitionswissenschaften und die Philosophie seit jeher bewegen.
(Wer mehr dazu wissen will, dem empfehle ich das Essay: „Bewußtsein“ aus dem Lexikon der Neurowissenschaft auf Spektrum.de)[1]
Bewusstsein bei Tieren
Es wird von vielen Menschen angenommen, dass zahlreiche Tiere ein Bewusstsein haben, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Hier wird von verschiedenen Stufen des Bewusstseins geredet. Man könnte beispielsweise sagen: „Ein Hund hat mehr Bewusstsein als eine Hummel.“ Der Hund steht also auf einer höheren Bewusstseinsstufe als die Hummel.
Andere Forschende gehen davon aus, dass das Bewusstsein nicht in Stufen zu messen ist, sondern einfach mehrere Aspekte (Dimensionen) hat. Diese sind bei unterschiedlichen Tieren verschieden ausgeprägt. Hier würde es keinen Sinn machen zu sagen: „Eine Hund hat mehr Bewusstsein als eine Hummel.“ Es kommt darauf an, welchen Aspekt des Bewusstseins wir betrachten.[2]
In der Regel wird Bewusstsein bei Tieren so definiert, dass wir damit die ihre Fähigkeit meinen, ihre Umgebung, ihre eigenen Empfindungen und vielleicht sogar ihre eigenen Gedanken wahrzunehmen. Es gibt zunehmend wissenschaftliche Belege dafür, dass Tiere komplexe mentale und emotionale Fähigkeiten besitzen, die auf eine Form des Bewusstseins hindeuten.
Auf der anderen Seite gibt es aber Menschen, die Tieren Bewusstsein im vollen Maße oder in Abstufungen absprechen. Frei nach dem Motto: „Haustiere wie Hund und Katze sowie Affen haben ein Bewusstsein, die anderen Tiere aber nicht. Besonders nicht unsere Nutztiere wie Schweine, Kühe, Hühner usw. Schauen wir uns also die Contra-Argumente gegen ein Bewusstsein bei Tieren an.
Tiere haben kein Bewusstsein: Sieben Argumente
1. Alles nur Instinkt
Ein häufiges Argument ist, dass Tiere hauptsächlich durch Instinkte gesteuert werden und daher kein “echtes” Bewusstsein haben. Diese Sichtweise basiert auf der Idee, dass Tiere zwar auf äußere Reize reagieren, aber diese Reaktionen automatisch und nicht bewusst ablaufen. Nach dieser Ansicht handelt ein Tier nicht aus bewusster Reflexion oder Selbstwahrnehmung, sondern folgt biologischen Impulsen.
Herkunft des Arguments
Diese Ansicht geht auf den bekannten und sehr einflussreichen Philosophen René Descartes (17. Jahrhundert). Er hielt es für bewiesen, in Übereinstimmung mit der damals gültigen kirchlichen Lehre, dass Tiere nur „Automaten“ seien.[3]
2. Abstufung von Bewusstsein
Als weiteres Argument wird gern angeführt, dass Tiere zwar ein gewisses Bewusstsein haben, aber dass es nicht so wie das menschliche Bewusstsein ist oder aber deutlich weniger entwickelt. Hier wird angenommen, dass es eine Hierarchie des Bewusstseins gibt, wobei Menschen an der Spitze stehen. Diese Menschen argumentieren, dass Tiere zwar Schmerz oder Grundbedürfnisse wahrnehmen, aber kein “höheres” Bewusstsein besitzen, das Selbstreflexion oder tiefere emotionale Erfahrungen umfasst.
Herkunft des Arguments
Auch diese These können wir wieder zu René Descartes zurückverfolgen. Er schrieb in einen Brief an Henry More: „Das Leben, von dem ich meine, daß es letztlich in nichts anderem als einer bestimmten Temperatur des Herzens besteht, habe ich keinem Tier abgesprochen; und eine Empfindung bestreite ich den Tieren auch nicht, soweit diese von einem körperlichen Organ abhängt.“[4]
3. Verleugnung von Schmerzempfinden
Einige Menschen stellen das Schmerzempfinden von Tieren infrage oder relativieren es, besonders in Bezug auf sogenannte “niedrigere” Tiere wie Fische oder Insekten. Das Argument lautet, dass solche Tiere keine komplexen Nervensysteme besitzen, die notwendig sind, um Schmerz im menschlichen Sinne zu empfinden. Es wird dann argumentiert, dass diese Tiere zwar Reaktionen auf Verletzungen zeigen, diese aber nicht als bewusstes Leiden verstanden werden können.
Herkunft des Arguments
Im Endeffekt speist sich dieses Argument aus ähnlichen Quellen und Ansichten wie die ersten beiden.
4. Relativierung durch Nutzwert
Ein häufiges Argument für den Konsum tierischer Produkte besteht darin, den Wert eines Tieres hauptsächlich durch seinen Nutzen für den Menschen zu definieren. In dieser Sichtweise wird das Bewusstsein von Tieren weniger wichtig, weil ihr Wert primär durch ihre Rolle als Nahrungsmittel oder Rohstofflieferanten bestimmt wird. In dieser Argumentation wird oft hervorgehoben, dass Menschen seit Jahrtausenden Tiere nutzen, und der Fokus liegt auf dem Überleben und den kulturellen Traditionen, anstatt auf dem Bewusstsein der Tiere.
Herkunft des Arguments
Begründungen, welche Traditionen oder angebliche Historie heranziehen, werden immer Bestand haben. Mit dieser Art Argumenten wurde Frauen das Wahlrecht abgesprochen, bestimmten Menschengruppen die Bürgerrechte und natürlich ganz viele Kriege begründet.
5. Tiere als „minderwertige“ Lebensformen
Einige Menschen argumentieren, dass Tiere in einem moralischen Sinne “minderwertiger” sind als Menschen, und selbst wenn Tiere ein Bewusstsein hätten, wäre es weniger bedeutend. Hier wird das Bewusstsein der Tiere zwar nicht unbedingt verneint, aber als ethisch weniger relevant betrachtet. Der Mensch wird in dieser Sichtweise oft als die überlegene Spezies dargestellt, die das Recht hat, Tiere zu nutzen, unabhängig von deren Bewusstsein.
Herkunft des Arguments
Diese Ansicht geht eng mit der kirchlichen Lehre einher, die vom Menschen als Krone der Schöpfung berichtet.[5]
6. Wissenschaftliche Unsicherheit
Manche Menschen weisen darauf hin, dass das Bewusstsein von Tieren wissenschaftlich nicht abschließend geklärt ist. Sie argumentieren, dass es noch viele offene Fragen gibt, wie Bewusstsein definiert wird und welche Tiere es tatsächlich besitzen.
Herkunft des Arguments
Dieses Argument wird wohl ewig bestand haben, denn selbst wenn etwas wissenschaftlich absolut eindeutig geklärt ist, wird es Menschen geben, die an der Erklärung zweifeln. Bestes Beispiel dafür: Personen, die behaupten, die Erde wäre eine Scheibe.
7. Kognitive Dissonanz
Schließlich gibt es auch eine psychologische Erklärung dafür, warum manche Menschen das Bewusstsein von Tieren negieren. Der Verzehr von Tieren kann zu einem Konflikt mit dem Wunsch nach ethischem Verhalten führen (kognitive Dissonanz). Um diesen inneren Widerspruch zu reduzieren, könnten Menschen das Bewusstsein der Tiere herunterspielen oder negieren, um ihr Verhalten (den Konsum von Fleisch) zu rechtfertigen.
Herkunft des Arguments
Das ist tatsächlich kein Argument, sondern ein Erklärungsansatz, weshalb der große Tierfreund von nebenan, der streunenden Hunden und Katzen ein Zuhause bietet, trotzdem gern sein Wurstbrot isst.
Tiere haben ein Bewusstsein: Sieben Argumente
Für die Behauptung, dass Tiere ein Bewusstsein haben, sprechen viele Argumente. Diese lassen sich sogar wissenschaftlich belegen und basieren nicht nur auf kirchlichen Überlieferungen und den Thesen von Philosophen aus der Renaissance.
1. Komplexe Probleme lösen
Viele Tierarten, insbesondere Säugetiere und Vögel, besitzen erstaunliche kognitive Fähigkeiten, die auf ein hohes Maß an Bewusstsein schließen lassen. Krähen und Papageien etwa sind in der Lage, Werkzeuge zu nutzen und sogar herzustellen. Elefanten können sich an komplexe Routen und Ereignisse über lange Zeiträume hinweg erinnern. Delfine zeigen eine Form von Problemlösung, die auf bewusstes Denken schließen lässt. Wenn Tiere in der Lage sind, logische Probleme zu lösen, zu planen oder vergangene Erfahrungen zu reflektieren, deutet dies auf ein Verständnis ihrer Umwelt und ihres Platzes darin hin.
Beispiel
2. Selbstbewusstsein
Ein bekannter Test für Selbstbewusstsein bei Tieren ist der Spiegeltest. Hier wird getestet, ob ein Tier sein Spiegelbild als sich selbst erkennt. Schimpansen, Delfine, Elefanten und einige Vögel, wie Elstern, haben diesen Test bestanden. Sie zeigen Verhaltensweisen wie das Berühren von Markierungen auf ihrem Körper, die sie nur im Spiegel sehen können. Dies deutet auf ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein hin – ein Bewusstsein der eigenen Existenz und Unterscheidung von der Umgebung.
Beispiel
3. Emotionen und Empathie
Tiere zeigen oft emotionale Reaktionen, die denen des Menschen ähnlich sind. Hunde können Freude, Trauer oder Angst empfinden und reagieren auf die Emotionen ihrer Besitzer. Es gibt zahlreiche Berichte über Elefanten, die trauern, wenn ein Mitglied ihrer Herde stirbt, und über Delfine, die ihre verletzten Artgenossen unterstützen. Diese Verhaltensweisen deuten darauf hin, dass Tiere nicht nur emotionale Zustände erfahren, sondern auch in der Lage sind, Empathie zu zeigen – eine wichtige Eigenschaft des Bewusstseins.
Beispiel
4. Kommunikation und Sprache
Tiere wie Delfine, Wale und Menschenaffen verwenden komplexe Kommunikationssysteme, die viel mehr sind als nur einfache Rufe. Delfine können verschiedene Töne nutzen, um Individuen zu identifizieren, und Schimpansen nutzen eine Mischung aus Gesten, Mimik und Lauten, um soziale Informationen auszutauschen. Die Fähigkeit, Bedeutungen zuzuordnen und auf diese Weise zu kommunizieren, deutet darauf hin, dass Tiere sich ihrer selbst und ihrer Mitwelt bewusst sind und gezielt Informationen austauschen.
Und das gilt nicht nur für niedliche Tiere wie Delfine oder Affen, auch Schweine haben eine Sprache. Die kann eine KI sogar übersetzen.
Beispiel
5. Soziales Verhalten
Soziale Tiere wie Wölfe, Schimpansen oder auch Ameisen haben komplexe Gruppenstrukturen mit klaren Hierarchien und sozialen Rollen. Schimpansen etwa kooperieren bei der Jagd, teilen Beute und zeigen strategisches Verhalten, um sich in der Gruppe durchzusetzen oder Konflikte zu lösen. Das erfordert ein Verständnis der Beziehungen und Dynamiken innerhalb der Gruppe, was auf ein Bewusstsein über das eigene Verhalten und das Verhalten der anderen Mitglieder hinweist.
Beispiel
6. Schmerzempfinden und Leid
Tiere reagieren nicht nur instinktiv auf Schmerzen. Sie können Schmerz und Leid bewusst erfahren. Dies zeigt sich etwa in den Reaktionen von Tieren, die in Gefangenschaft unter psychischem Stress leiden, wie es bei Elefanten in Zoos oder Orcas in Wasserparks oft dokumentiert wird. Das Bewusstsein für Leid und die daraus resultierende Veränderung des Verhaltens – etwa das Meiden von Gefahrenquellen – zeigt, dass Tiere nicht nur reflexartig handeln, sondern dass sie bewusst Schmerzen empfinden und darauf reagieren.
Beispiel
7. Individuelle Persönlichkeiten
Forschungen haben gezeigt, dass selbst Tiere derselben Art unterschiedliche Persönlichkeiten haben können. Schimpansen zum Beispiel können entweder aggressiver, dominanter oder kooperativer und friedlicher sein, abhängig von ihrer individuellen Erfahrung und Persönlichkeit. Auch bei Hunden sieht man oft, dass einige Tiere mutiger oder neugieriger sind, während andere schüchterner oder vorsichtiger auftreten. Diese individuellen Unterschiede lassen auf ein inneres Bewusstsein und unterschiedliche Wahrnehmungen der Welt schließen.
Beispiel
Hier muss ich wohl keine Beispiele anführen. Jeder der einen Hund, Katze oder was auch immer hat oder Leute mit Haustieren kennt, weiß dass die individuell sind. Auch die Rasse hat mit der Individualität etwa eines Hundes kaum etwas zu tun, wie die Statistik zeigt:
„Ist ein Hund aggressiv, liegt das in erster Linie an seiner Erziehung. Sogenannte Listenhunde reagieren nicht aggressiver als andere und auch Bissattacken kommen bei ihnen statistisch nicht öfter vor.“[6]
Was folgt?
Auf der Pro-Seite stehen wissenschaftliche Belege, die auf komplexe kognitive und emotionale Fähigkeiten von Tieren hinweisen, wie etwa Problemlösung, Selbstbewusstsein, Emotionen und soziale Interaktionen. Diese deuten auf eine Form des Bewusstseins hin, das jedoch von Art zu Art unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Die Contra-Argumente hingegen beruhen oft auf traditionellen Ansichten, wie der Annahme, dass Tiere nur instinktiv handeln, und stellen den Wert tierischen Bewusstseins in Frage, besonders wenn es um Nutztiere geht.
Es zeigt sich, so glaube ich, doch ein sehr eindeutiges Bild. Wer die Belege für das Bewusstsein von Tieren verleugnet, muss schon eine verdammt ausschließende und engstirnige Weltanschauung pflegen.
Quellen
[1] Vgl. Spektrum.de: Bewusstsein. Essay von Gerhard Roth, https://www.spektrum.de/lexikon/neurowissenschaft/bewusstsein/1446, Abruf am 16.09.24
[2] Vgl. Ruhr Universität Bochum: Wie sich Bewusstsein bei Tieren erforschen lassen könnte, von Julia Weiler, 02.03.2023, https://news.rub.de/wissenschaft/2023–03-02-philosophie-wie-sich-bewusstsein-bei-tieren-erforschen-lassen-koennte, Abruf am 16.09.24
[3] Vgl. Wikipedia: Maschinenparadigma, https://de.wikipedia.org/wiki/Maschinenparadigma, Abruf am 16.09.24
[4] 5 Philosophische und agrargeschichtliche Auffassungen des mitteleuropäischen Kulturkreises von der frühen Neuzeit bis zur Moderne, S.98, https://refubium.fu-berlin.de/bitstream/handle/fub188/3787/08_puaafn.pdf?sequence=9&isAllowed=y, Abruf am 16.09.24
[5] Vgl. Bidelstudium.de: Die Krone der Schöpfung, vom 04.10.2016, https://www.bibelstudium.de/articles/4067/die-krone-der-schoepfung.html, Abruf am 16.09.24
[6] Vgl. MDR: Stimmt teilweise: Rasse bestimmt Hundeverhalten, vom 29.04.2022, https://www.mdr.de/wissen/faktencheck/faktencheck-hunderassen-100.html, Abruf am 16.09.24