Zum Inhalt springen
Startseite » Einblicke » Vegan werden: Die 7 größten psychischen Herausforderungen

Vegan werden: Die 7 größten psychischen Herausforderungen

Es klingt komisch, aber vegan wer­den ver­än­dert nicht nur den Spei­se­plan. Auch die Psy­che ändert sich bzw. steht vor Her­aus­for­de­run­gen. Ich hab die 7 größ­ten psy­chi­schen Her­aus­for­de­run­gen für euch recher­chiert.


Inhalt


1. Veränderung der Identität

Wenn Men­schen die Ent­schei­dung tref­fen, sich vegan zu ernäh­ren und die­sen Lebens­stil zu über­neh­men, hat das oft Aus­wir­kun­gen, die über die rei­ne Ernäh­rungs­um­stel­lung hin­aus­ge­hen und das Selbst­bild tief­grei­fend ver­än­dern kön­nen. Für vie­le Vega­ner wird der Vega­nis­mus zu einem Teil ihrer sozia­len Iden­ti­tät, der sie von ande­ren Grup­pen, ins­be­son­de­re von Fleisch­essern, abhebt und eine star­ke ethi­sche und mora­li­sche Kom­po­nen­te hat.

Die­se Neu­de­fi­ni­ti­on der eige­nen Iden­ti­tät kann jedoch ambi­va­len­te Fol­gen haben. Einer­seits för­dert sie ein posi­ti­ves Selbst­bild, da man sich durch die vega­ne Lebens­wei­se stär­ker mit Wer­ten wie Mit­ge­fühl, Nach­hal­tig­keit und Acht­sam­keit iden­ti­fi­ziert. Für vie­le ist dies eine Form der Selbst­ent­fal­tung und der Anpas­sung an ein Leben im Ein­klang mit den eige­nen Über­zeu­gun­gen und ethi­schen Standards​.[1]

Auf der ande­ren Sei­te füh­len sich vie­le vegan Leben­de als Min­der­heit in der Gesell­schaft, da sie durch ihre Ernäh­rungs­wei­se vom Main­stream abwei­chen. Dies kann zu sozia­ler Iso­la­ti­on und einer gewis­sen Abgren­zung füh­ren, da die vega­ne Lebens­wei­se oft auf Wider­stand oder Unver­ständ­nis stößt. Die­se Span­nung zwi­schen der per­sön­li­chen Iden­ti­tät und der Mehr­heit kann zu Frus­tra­tio­nen füh­ren und das psy­chi­sche Wohl­be­fin­den belas­ten. Vega­nis­mus kann damit auch eine Art “Echo­kam­mer” erzeu­gen, in der Gleich­ge­sinn­te sich gegen­sei­tig bestär­ken, was zwar Unter­stüt­zung bie­tet, aber auch zu einer gewis­sen Distanz zur Mehr­heits­ge­sell­schaft füh­ren kann​.[2]

2. Soziale Herausforderungen

Da Ernäh­rungs­ge­wohn­hei­ten oft kul­tu­rell und fami­li­är geprägt sind, kann die Ent­schei­dung, vegan zu leben, zu Span­nun­gen und Miss­ver­ständ­nis­sen füh­ren. Gera­de bei gemein­sa­men Mahl­zei­ten wie Fei­er­ta­gen oder Fami­li­en­fei­ern ent­ste­hen häu­fig Kon­flik­te, wenn tra­di­tio­nel­le Gerich­te mit tie­ri­schen Pro­duk­ten zen­tral sind und vega­ne Optio­nen auf Unver­ständ­nis sto­ßen. Oft füh­len sich Veganer:innen dadurch in einer Min­der­hei­ten­po­si­ti­on, die sie vor die Wahl stellt, ent­we­der Kom­pro­mis­se ein­zu­ge­hen oder ihr Umfeld mit Über­zeu­gungs­ar­beit und alter­na­ti­ven Vor­schlä­gen zu konfrontieren​.[3]

Ein Ansatz, um sol­che Kon­flik­te zu ent­schär­fen, ist das offe­ne Gespräch, in dem vegan leben­de Men­schen ihre Beweg­grün­de erläu­tern und zugleich Ver­ständ­nis für die Vor­lie­ben ande­rer zei­gen. Gleich­zei­tig emp­feh­len vie­le Rat­ge­ber, sol­che Gesprä­che zu „ent­per­so­na­li­sie­ren“ – also den Fokus auf den ethi­schen oder öko­lo­gi­schen Hin­ter­grund zu legen, statt direk­te Kri­tik an den Ess­ge­wohn­hei­ten ande­rer zu üben. Bei Fes­ten kann es zudem hilf­reich sein, eige­ne vega­ne Gerich­te mit­zu­brin­gen, die man gemein­sam pro­biert, um eine har­mo­ni­sche Atmo­sphä­re zu schaf­fen und Berüh­rungs­ängs­te gegen­über der vega­nen Küche abzubauen​.[4]

3. Verlust von Vertrautem

Der Ver­zicht auf tie­ri­sche Pro­duk­te führt nicht nur zu einer Ernäh­rungs­um­stel­lung, son­dern kann auch das Gefühl her­vor­ru­fen, tra­di­tio­nel­le und ver­trau­te Spei­sen zu ver­lie­ren, die häu­fig eng mit per­sön­li­chen Erin­ne­run­gen und sozia­len Ritua­len ver­bun­den sind. Beson­ders bei Fes­ten oder Fei­er­ta­gen, die durch bestimm­te Gerich­te geprägt sind, erle­ben vie­le Veganer:innen eine Form des Ver­lus­tes, weil sie die­se tra­di­tio­nel­len Spei­sen nicht mehr in ihrer ursprüng­li­chen Form genie­ßen kön­nen.

Um die­se Her­aus­for­de­rung zu meis­tern, ver­su­chen eini­ge Veganer:innen, vega­ne Alter­na­ti­ven zu ver­trau­ten Gerich­ten zu ent­wi­ckeln, was jedoch nicht immer die­sel­be emo­tio­na­le Wir­kung erzielt. Die­ses Bedürf­nis, tra­di­tio­nel­le Wer­te und Erin­ne­run­gen zu bewah­ren, kann emo­tio­nal belas­tend sein und erfor­dert oft­mals eine Pha­se der Neuorientierung​.[5]

Hin­zu kommt die sozia­le Kom­po­nen­te: Freun­de und Fami­lie sind oft an die alten Ess­ge­wohn­hei­ten gewöhnt, und für vie­le ist es schwer nach­zu­voll­zie­hen, war­um jemand die ver­trau­ten Rezep­te und Pro­duk­te plötz­lich ablehnt. Die­se feh­len­de Akzep­tanz führt nicht sel­ten zu wei­te­ren Kon­flik­ten, die das Gefühl des Ver­lus­tes ver­stär­ken und die Umstel­lung erschweren​.[6]

4. Moralische Dissonanz und Überwältigung

Vegan leben­de Men­schen ent­wi­ckeln oft ein star­kes Bewusst­sein für die ethi­schen Aspek­te ihres Lebens­stils, wie den Tier­schutz und die Umwelt­aus­wir­kun­gen der Tier­hal­tung. Die­ses Bewusst­sein kann zu mora­li­scher Dis­so­nanz füh­ren, wenn sie ande­re beim Kon­sum tie­ri­scher Pro­duk­te beob­ach­ten. Vie­le Veganer:innen emp­fin­den die­se Dis­so­nanz als über­wäl­ti­gend und ent­wi­ckeln das Bedürf­nis, ihr Umfeld zu über­zeu­gen, was nicht sel­ten zu Span­nun­gen füh­ren kann, beson­ders in gemisch­ten sozia­len Krei­sen.

Die mora­li­sche Dis­so­nanz tritt auf, weil vie­le Veganer:innen ethi­sche Prin­zi­pi­en wie das Recht der Tie­re auf Leben und Schutz vor Leid als zen­tral betrach­ten. Doch in der Gesell­schaft wird Tier­kon­sum oft noch als nor­mal und not­wen­dig ange­se­hen. Die­se Dif­fe­renz zwi­schen per­sön­li­chen Wer­ten und gesell­schaft­li­chen Nor­men führt zu emo­tio­na­len Belas­tun­gen und dem Gefühl der Isolation​.[7]

5. Der Umgang mit Rückschlägen

Vie­le vegan Leben­de erle­ben Pha­sen, in denen sie ver­se­hent­lich tie­ri­sche Pro­duk­te kon­su­mie­ren oder Heiß­hun­ger auf ver­trau­te Spei­sen haben. Sol­che Situa­tio­nen füh­ren oft zu Schuld­ge­füh­len oder Selbst­zwei­feln. Es ist hilf­reich, Rück­schlä­ge als Teil des Lern­pro­zes­ses zu betrach­ten und sich selbst mit Geduld und Mit­ge­fühl zu begeg­nen.

Anstatt sich auf „Feh­ler“ zu fixie­ren, ist es sinn­voll, Fort­schrit­te anzu­er­ken­nen und lang­fris­ti­ge Zie­le im Auge zu behal­ten. Unter­stüt­zen­de Gemein­schaf­ten bie­ten Rück­halt und Motivation​.[8]

6. Selbstmitgefühl entwickeln

Selbst­mit­ge­fühl zu ent­wi­ckeln, ist für vegan leben­den Men­schen beson­ders wich­tig, da sie sich oft mit hohen mora­li­schen Stan­dards und gele­gent­li­chen Rück­schlä­gen kon­fron­tiert sehen. Selbst­mit­ge­fühl bedeu­tet, sich in schwie­ri­gen Momen­ten nicht zu ver­ur­tei­len, son­dern mit sich selbst so umzu­ge­hen, wie man es auch bei einer nahe­ste­hen­den Per­son tun wür­de. Die­se Hal­tung för­dert eine nach­hal­ti­ge Lebens­wei­se und schützt vor Selbst­zwei­feln und Erschöp­fung, indem sie den Fokus auf den posi­ti­ven Ein­fluss jedes klei­nen Schritts legt.[9]

7. Der langfristige Blick

Ein lang­fris­ti­ger Blick ist ent­schei­dend, um den vega­nen Lebens­stil nach­hal­tig und erfül­lend zu gestal­ten. Vie­le Veganer:innen fin­den mit der Zeit eine tie­fe Zufrie­den­heit dar­in, ihre Wer­te durch ihre Ernäh­rungs­wei­se kon­se­quent zu leben. Die­ser Ansatz hilft, klei­ne Rück­schlä­ge zu rela­ti­vie­ren und das Gesamt­bild zu sehen: jede Ent­schei­dung für eine pflanz­li­che Ernäh­rung trägt zum eige­nen Wohl­be­fin­den und zur Umwelt bei. Lang­fris­tig ent­wi­ckeln vie­le so ein stär­ke­res Selbst­be­wusst­sein und eine ent­spann­te Ein­stel­lung zu ihrem Weg​.[10]

Fazit

Vegan zu wer­den, geht mit vie­len Her­aus­for­de­run­gen ein­her, die nicht nur den All­tag, son­dern auch das eige­ne Selbst­bild betref­fen. Die Umstel­lung erfor­dert viel Geduld und Selbst­mit­ge­fühl, beson­ders bei sozia­len Span­nun­gen und Rück­schlä­gen. Doch mit der Zeit wächst das Bewusst­sein für die posi­ti­ven Ver­än­de­run­gen – für die eige­ne Gesund­heit, die Umwelt und das ethi­sche Emp­fin­den. Der lang­fris­ti­ge Blick hilft, die­se Ent­schei­dung bestän­dig und gelas­sen zu leben, und bringt ein Gefühl von Zufrie­den­heit und Sinn in den eige­nen Lebens­stil. Zudem hilft dabei ein sta­bi­les sozia­les Umfeld, wie ich es etwa in mei­ner Fami­lie fin­de unge­mein.


Quellen

[1] Vgl. VegE­co: Vega­nis­mus als Kata­ly­sa­tor der per­sön­li­chen Wand­lung, https://​vege​co​.org/​d​e​/​v​e​g​a​n​i​s​m​u​s​-​a​l​s​-​k​a​t​a​l​y​s​a​t​o​r​-​d​e​r​-​p​e​r​s​o​n​l​i​c​h​e​n​-​w​a​n​d​l​u​ng/, Abruf am 31.10.24

[2] Vgl. ICHI​.PRO: „Was pas­siert, wenn Vega­nis­mus Ihre Iden­ti­tät ist?“, https://​ichi​.pro/​d​e​/​w​a​s​-​p​a​s​s​i​e​r​t​-​w​e​n​n​-​v​e​g​a​n​i​s​m​u​s​-​i​h​r​e​-​i​d​e​n​t​i​t​a​t​-​i​s​t​-​1​3​4​4​1​9​6​9​6​5​2​1​892, Abruf am 31.10.24

[3] Vgl. Das Wis­sen: „Die Sozia­le Akzep­tanz von Vega­nis­mus“ von Dani­el Worm, vom 05.07.24, https://​das​-wis​sen​.de/​d​i​e​-​s​o​z​i​a​l​e​-​a​k​z​e​p​t​a​n​z​-​v​o​n​-​v​e​g​a​n​i​s​m​us/, Abruf am 31.10.24

[4] Vgl. Deutsch­land is[s]t vegan: „Inter­view mit Psy­cho­lo­gin Tama­ra Pfei­ler: So gelingt das Vegan-Outing“ von Fran­zis­ka Roos, https://​www​.deutsch​lan​distve​gan​.de/​v​e​g​a​n​-​o​u​t​i​ng/, Abruf am 31.10.24

[5] Vgl. Das Wis­sen: „Die Sozia­le Akzep­tanz von Vega­nis­mus“ von Dani­el Worm, 05.07.24, https://​das​-wis​sen​.de/​d​i​e​-​s​o​z​i​a​l​e​-​a​k​z​e​p​t​a​n​z​-​v​o​n​-​v​e​g​a​n​i​s​m​us/, Abruf am 31.10.24

[6] Vgl. Vegan​.at: Vor­ur­tei­le und Argu­men­te gegen Vega­nis­mus, 22.02.2012, https://​www​.vegan​.at/​i​n​h​a​l​t​/​v​o​r​u​r​t​e​i​l​e​-​u​n​d​-​a​r​g​u​m​e​n​t​e​-​g​e​g​e​n​-​v​e​g​a​n​i​s​mus, Abruf am 31.10.24

[7] Vgl. Das Wis­sen: „Die Sozia­le Akzep­tanz von Vega­nis­mus“ von Dani­el Worm, 05.07.24, https://​das​-wis​sen​.de/​d​i​e​-​s​o​z​i​a​l​e​-​a​k​z​e​p​t​a​n​z​-​v​o​n​-​v​e​g​a​n​i​s​m​us/, Abruf am 31.10.24

[8] Vgl. Vegan​.at: Vor­ur­tei­le und Argu­men­te gegen Vega­nis­mus, 22.02.2012, https://​www​.vegan​.at/​i​n​h​a​l​t​/​v​o​r​u​r​t​e​i​l​e​-​u​n​d​-​a​r​g​u​m​e​n​t​e​-​g​e​g​e​n​-​v​e​g​a​n​i​s​mus, Abruf am 31.10.24

[9] Vgl. Das Wis­sen: „Die Sozia­le Akzep­tanz von Vega­nis­mus“ von Dani­el Worm, 05.07.24, https://​das​-wis​sen​.de/​d​i​e​-​s​o​z​i​a​l​e​-​a​k​z​e​p​t​a​n​z​-​v​o​n​-​v​e​g​a​n​i​s​m​us/, Abruf am 31.10.24

[10] Vgl. ebd.

Schlagwörter: