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Bin ich auch Veganer, wenn ich Wolle trage?

Bei Wol­le den­ken wir an Schaf­her­den, die idyl­li­schen über unse­re Wie­sen zie­hen. Doch unse­re Wol­le kommt aus ganz ande­ren Ver­hält­nis­sen. Das lässt selbst Leu­te, die nicht vegan leben, dar­an zwei­feln, ob sie wei­ter­hin Woll­sa­chen tra­gen wol­len.


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Schafe müssen doch geschoren werden – oder?

Vie­le Men­schen glau­ben, dass Scha­fen sowie­so Wol­le wächst und die run­ter muss. Es wäre damit unver­ant­wort­lich, sie nicht zu sche­ren. Ganz so stimmt das nicht. Die Scha­fe, die wir heu­te sehen, sind Züch­tun­gen. Eigent­lich sind Scha­fe näm­lich braun und ihnen wächst nur so viel Wol­le, wie sie vor der Käl­te schützt. Doch wir Men­schen züch­te­ten den Tie­ren die brau­ne Ober­wol­le weg und die hel­le Unter­wol­le auf Mas­se. Jetzt müs­sen die­se Scha­fe natür­lich gescho­ren wer­den, weil durch Über­züch­tung ihre Unter­wol­le der­art mas­siv wächst, dass das Tier sie kaum tra­gen kann.[1]  

„Gut“, mag jetzt einer den­ken, „wenn die Scha­fe eh über­züch­tet sind, dann ist das Sche­ren ja völ­lig in Ord­nung.“ Aller­dings lügen hier die Fern­seh­bil­der oder Fil­me, aus denen wir Stadt­men­schen das Sche­ren ken­nen. Sicher, es scheint den Scha­fen nicht zu gefal­len, aber danach ren­nen die Scha­fe mun­ter her­um, weil sie end­lich gescho­ren sind. So wirkt es jeden­falls, aber das ist lei­der nicht wahr.

Scheren sorgt für psychische und physische Schmerzen

Natür­lich sind die Scha­fe froh, wenn das Sche­ren vor­bei ist. Aller­dings nicht, weil ihre Wol­le weg ist, son­dern weil sie, wie alle Her­den­tie­re, Flucht­tie­re sind. Sie haben also wahn­sin­ni­ge Angst wäh­rend des Sche­rens und flüch­ten, wenn es vor­über ist.

Und wer jetzt glaubt, das Sche­ren geht so lie­be­voll wie im TV oder Film von­stat­ten, der irrt. Bei meh­re­ren Tau­send Tie­ren, die die Sche­rer in mög­lichst kur­zer Zeit sche­ren müs­sen, bleibt kei­ne Zeit für Rück­sicht­nah­me. Die Tie­re sind danach oft ver­letzt und haben blu­ti­ge Wun­den. Die Scher­ma­schi­nen ver­stüm­meln die Scha­fe sogar.

Verstümmelung als Routine

Den Läm­mern wird kurz nach der Geburt der Schwanz abge­schnit­ten, damit kein Kot dar­an hän­gen blei­ben kann. Die EU emp­fiehlt zwar, dies mit Betäu­bungs­mit­teln zu machen, aber es besteht kei­ne Pflicht. Und da es immer um die Kos­ten geht, ver­zich­ten die meis­ten Schaf­be­trie­be auf die teu­re Betäu­bung und kupie­ren den Schwanz so. Das Glei­che gilt übri­gens auch für die Kas­tra­ti­on der männ­li­chen Scha­fe.[2]

In den wich­tigs­ten Woll­pro­du­zen­ten-Län­dern Aus­tra­li­en oder Neu­see­land gibt es nicht mal die­se Richt­li­ni­en wie bei uns in der EU. Da wer­den noch ganz ande­re Sachen mit den Scha­fen ohne Betäu­bung ange­stellt – Stich­wort: Mule­sing

Und jetzt rufen die Leute: „Aber bei uns hinten auf der Weide, da sind auch immer Schafe und der Schäfer ist ein ganz Netter.“

Tat­säch­lich spielt in der Tex­til­in­dus­trie Wol­le aus Deutsch­land kei­ne Rol­le. Die Wan­der­schä­fer, die wir ab und zu mal sehen, leben eher davon, dass ihre Tie­re bestimm­te Flä­chen frei­hal­ten – Stich­wort: Land­schafts­pfle­ge.[3]

Die begehr­te Meri­no-Wol­le kommt aus Aus­tra­li­en und Neu­see­land. Hier gibt es Her­den mit bis zu 10.000 Tie­ren. Das dort die Rea­li­tät der Schaf­zucht ganz anders ist als in unse­rem idea­li­sier­ten Ver­ständ­nis, das ergibt sich von selbst.

Wer also Wol­le kauft, der unter­stützt nicht den oder die Schä­fe­rin von neben­an, son­dern die rie­si­gen Schaf­far­men in Aus­tra­li­en und Neu­see­land. Was hier an Ver­stüm­me­lun­gen pas­siert, damit die Meri­no­scha­fe … ich will es gar nicht aus­füh­ren. Ihr könnt es hier nach­le­sen: https://​www​.peta​zwei​.de/​a​r​t​i​k​e​l​/​i​s​t​-​w​o​l​l​e​-​v​e​g​an/

Wenn die Schafe nicht mehr genug Wolle geben

Nach cir­ca sie­ben Jah­re geben die Scha­fe nicht mehr genug Wol­le und sie wer­den in Con­tai­ner­schif­fe gesteckt. Als Lebend­fracht geht es dann in den Nahen Osten oder nach Nord­afri­ka. In den engen Trans­port­con­tai­nern ster­ben schon diver­se Tie­re bei der Über­fahrt, der Rest wird dann in den Emp­fän­ger­län­dern geschlach­tet. So leben die Scha­fe maxi­mal 7 Jah­re. In der frei­en Natur wür­de ein Schaf im Schnitt bis zu 12 Jah­re alt wer­den.[4]

Wenigstens ist Wolle natürlich und nicht so etwas Chemisches — Falsch!

Nun gilt Wol­le als eine natür­li­che Sache. Doch Zucht und Über­züch­tung der Scha­fe plus Hal­tungs­be­din­gun­gen und das grau­sa­me Sche­ren oder Mule­sing sind defi­ni­tiv nicht als natür­lich anzu­se­hen. Im End­ef­fekt ist Schaf­wol­le ein Indus­trie­pro­dukt, was durch die pure Aus­beu­tung von Tie­ren gewon­nen wird.

Umweltaspekt

Um eine Ton­ne Roh­fa­ser Wol­le zu erzeu­gen, braucht es 67 Hekt­ar Land. Für eine Ton­ne Baum­wol­le sind es nur 1,3 Hekt­ar und bei Che­mie­fa­sern aus Zel­lu­lo­se, wie etwa Vis­ko­se, nur 0,8 Hekt­ar. Wol­le ist also alles ande­re als land­freund­lich.

Wer sich ein wenig mit dem Treib­haus­ef­fekt aus­kennt, weiß, dass Methan­gas 25 Mal mehr kli­ma­schä­di­gend ist als Koh­len­di­oxid.[5] Die rie­si­gen Schaf­her­den in Aus­tra­li­en, Groß­bri­tan­ni­en usw. erzeu­gen jede Men­ge Methan­gas. Dazu kom­men dann noch die gan­zen che­mi­schen Sub­stan­zen, die in der Woll­ver­ar­bei­tung genutzt wer­den. Von Natür­lich­keit kön­nen wir da schon lan­ge nicht mehr reden. Die Umwelt­bi­lanz unse­re Wol­le ist also ver­eh­rend – wie gene­rell die Mas­sen­tier­hal­tung ein wich­ti­ger Fak­tor bei der Kli­ma­er­wär­mung ist.[6]

Wollsachen nun wegschmeißen?

Wenn Ihr jetzt anfangt, eure Woll­sa­chen weg­zu­schmei­ßen, dann ist das aus mei­ner Sicht ver­ständ­lich. Aller­dings ist bei die­sen Sachen das Kind schon in den Brun­nen gefal­len. Ihr soll­tet sie wei­ter tra­gen, denn dann hat­te das Leid der Tie­re wenigs­tens einen Sinn. Doch bit­te kauft kei­ne neu­en Sachen aus Schaf­wol­le oder strickt damit. Nur wenn die Nach­fra­ge nach die­ser Wol­le abnimmt, wer­den die Far­men auf­hö­ren, die­se lie­bens­wer­ten und klu­gen Tie­re auf Teu­fel komm raus aus­zu­beu­ten. Und es gibt ja zum Glück so tol­le Alter­na­ti­ven zur Schaf­wol­le.

Einen echt auf­schluss­rei­chen Arti­kel über Alter­na­ti­ven zur Schaf­wol­le könnt ihr hier lesen: https://​uto​pia​.de/​r​a​t​g​e​b​e​r​/​w​o​l​l​e​-​z​u​m​-​s​t​r​i​c​k​e​n​-​a​l​t​e​r​n​a​t​i​v​e​n​-​z​u​-​s​c​h​a​f​s​w​o​l​l​e​-​u​n​d​-​co/


Quellen

[1] Vgl. Care­Eli­te: „War­um tra­gen Vega­ner kei­ne Wol­le? 10 Grün­de, auf Schaf­wol­le zu ver­zich­ten“ von Chris­toph Schulz, 13.10.20, https://​www​.care​eli​te​.de/​v​e​g​a​n​e​r​-​k​e​i​n​e​-​w​o​l​l​e​-​v​e​r​z​i​c​ht/, Abruf am 16.02.23

[2] Vgl. ebd.

[3] Vgl. Pla­net Wis­sen: „Schaf­hal­tung“ von Catha­ri­na Clau­sen, 13.02.2020, https://​www​.pla​net​-wis​sen​.de/​n​a​t​u​r​/​h​a​u​s​t​i​e​r​e​/​s​c​h​a​f​e​/​p​w​i​e​s​c​h​a​f​h​a​l​t​u​n​g​1​0​0​.​h​tml, Abruf am 16.02.23

[4] Vgl. Wiki­pe­dia: „Haus­schaf“, https://​de​.wiki​pe​dia​.org/​w​i​k​i​/​H​a​u​s​s​c​haf, Abruf am 16.02.23

[5] Vgl. Umwelt Bun­des­amt: „Die Treib­haus­ga­se“, 14.11.22, https://​www​.umwelt​bun​des​amt​.de/​t​h​e​m​e​n​/​k​l​i​m​a​-​e​n​e​r​g​i​e​/​k​l​i​m​a​s​c​h​u​t​z​-​e​n​e​r​g​i​e​p​o​l​i​t​i​k​-​i​n​-​d​e​u​t​s​c​h​l​a​n​d​/​t​r​e​i​b​h​a​u​s​g​a​s​-​e​m​i​s​s​i​o​n​e​n​/​d​i​e​-​t​r​e​i​b​h​a​u​s​g​ase, Abruf am 16.02.23

[6] Vgl. Umwelt Bun­des­amt: „Bei­trag der Land­wirt­schaft zu den Treib­haus­gas-Emis­sio­nen“, 21.03.22, https://​www​.umwelt​bun​des​amt​.de/​d​a​t​e​n​/​l​a​n​d​-​f​o​r​s​t​w​i​r​t​s​c​h​a​f​t​/​b​e​i​t​r​a​g​-​d​e​r​-​l​a​n​d​w​i​r​t​s​c​h​a​f​t​-​z​u​-​d​e​n​-​t​r​e​i​b​h​a​u​s​g​a​s​#​t​r​e​i​b​h​a​u​s​g​a​s​-​e​m​i​s​s​i​o​n​e​n​-​a​u​s​-​d​e​r​-​l​a​n​d​w​i​r​t​s​c​h​aft, Abruf am 16.02.23