Der Discounter Lidl will die Preise seiner veganen Eigenmarkenprodukte, um durchschnittlich 20 Prozent senken. Es sollen jetzt originale Fleischprodukte und vegane Alternativen direkt nebeneinander im Regal stehen und das zu gleichen Preisen.
Inhalt
- Das sagt der Marketingexperte zur Preissenkung
- Zielgruppe Flexitarier
- Gesund ist Fleischersatz eher nicht
- Warum sind vegane Ersatz-Produkte überhaupt so teuer?
- Unter diesem Aspekt geht Lidl den richtigen Weg
- Quellen
Ich muss zugeben, dass ich nicht restlos davon überzeugt bin. Es mag zwar ein Schritt in die richtige Richtung sein, diese Produkte für Verbraucher erschwinglicher zu machen, aber ich frage mich, was wirklich hinter dieser Entscheidung steckt. Ich denke da nur an die Green-Washing-Kampagne von Lidl zur Einwegflasche.[1]
Das sagt der Marketingexperte zur Preissenkung
Tagesschau.de[2] hat beispielsweise den Marketingexperte Professor Carsten Demming dazu befragt. Er betont die strategische Natur dieser Maßnahme, und es scheint, als würde Lidl auf den Zug des veganen Trends aufspringen, um seinen Marktanteil zu erhöhen. In Zeiten des zweistelligen Wachstums im Markt für pflanzliche Produkte, könnte es durchaus sein, dass hier vor allem wirtschaftliche Motive im Vordergrund stehen.
Anders ausgedrückt: Lidl will sich so früh wie möglich Marktanteile sichern.
Zielgruppe Flexitarier
Leute wie ich, die eh nie Fleisch gegessen haben oder mit dem Fleischgeschmack nichts anfangen können, sind nicht die Zielgruppe von Lidl. Aber gerade Flexitarier werden jetzt sicher öfter zur veganen Alternative greifen. Sie kostet gleich viel und erscheint auf den ersten Blick sogar gesünder und umweltverträglicher. Das erhöht natürlich die Gewinnmöglichkeiten des Discounters.
Gesund ist Fleischersatz eher nicht
Tatsächlich ist dieser Fleischersatz immer ein Produkt aus dem Lebensmittel-Labor. Es wird viel getan, damit der „Fleischgeschmack“ ins vegane Ersatzprodukt kommt. Das ist nicht ohne gesundheitliches Risiko, weil es sich bei diesen „Laborlebensmitteln“ immer um hoch verarbeitete Nahrung handelt. (Über das Risiko von hochverarbeiteten Lebensmitteln berichtete ich bereits in meinem Blogbeitrag: Kann man mit veganer Ernährung abnehmen?) Es ist also unter gesundheitlichem Aspekt nicht unbedingt gut, Fleischersatz zu essen.
Das soll jetzt aber nicht heißen, dass Lebensmittel mit echtem Fleisch gesundheitlich besser wären. Ob man nun eine Fertigfrikadelle aus Schweinefleisch oder veganem Fleischersatz verzerrt, macht kaum einen Unterschied, denn hochverarbeitet ist beides.
Warum sind vegane Ersatz-Produkte überhaupt so teuer?
Vegane Ersatzprodukte bestehen ja aus einer Vielzahl pflanzlicher Zutaten, die geschickt kombiniert werden, um tierische Produkte nachzuahmen. Soja, Weizen, Hülsenfrüchte und Nüsse dienen oft als Proteinquellen und Texturgeber. Getreide, wie Reis und Hafer, werden zu pflanzlicher Milch und Joghurt verarbeitet, während Kokosnuss in Eissorten und Käsealternativen Verwendung findet. Gemüse, Algen und Tofu werden ebenfalls genutzt. Pflanzliche Öle und Fette verbessern Geschmack und Textur. Zusätzlich werden Gewürze und Zusatzstoffe verwendet, um authentischen Geschmack und Konsistenz tierischer Produkte nachzuahmen.
Aus Pflanzen „Fleisch zu machen“ ist sicher nicht einfach, aber weshalb sind diese Produkte so teuer? Immerhin braucht es nur ein bisschen Soja, Gemüse und Gewürze für das „Fake-Schnitzel“. Ein Schwein, frisst tausend Mal mehr Gemüse und Soja, um schließlich so fett zu sein, dass es geschlachtet werden kann. Da erscheint es unlogisch, dass vegane Ersatzprodukte so kostspielig sind.
Die hohen Preise veganer Ersatzprodukte lassen sich durch mehrere Faktoren erklären. Einerseits resultieren sie aus den Kosten für die Produktentwicklung und ‑herstellung, da viele dieser Produkte zunächst entwickelt werden müssen. Die Fleischindustrie hat hingegen etablierte Strukturen und profitiert von Skaleneffekten. Zudem werden viele Ersatzprodukte in Deutschland als „verarbeitete Lebensmittel“ eingestuft und mit 19 Prozent Mehrwertsteuer belegt, während Fleisch, Kuhmilch und Brot den niedrigeren Steuersatz von sieben Prozent erhalten. Darüber hinaus ermöglicht die „freie Preisgestaltung“ Herstellern, Preise nach eigenem Ermessen festzulegen.[3]
Vegan Lebende sind meist besser gebildet und haben entsprechend ein höheres Einkommen. Da schlagen dann die Hersteller einfach zu. Sie lassen sich sozusagen das schlechte Gewissen der Menschen, weil Fleischkonsum die Umwelt zerstört, durch die Leute bezahlen, die auf Fleisch verzichten. Das ist schon fast pervers.
Unter diesem Aspekt geht Lidl den richtigen Weg
Und auch wenn ich nicht glaube, dass Lidl die Umwelt retten will, sondern einfach nur mehr Umsatz generieren möchte – so muss ich zugeben, die Maßnahme könnte helfen. Wenn der Babyboomer und Fleischverfechter Alfred Müller vor dem Kühlregal steht und doch mal neugierig zu den veganen Frikadellen greift. Und vielleicht macht er das dann öfter.
Deshalb möchte ich am Ende meines Blogbeitrags weniger kritisch sein, als zu Beginn angekündigt. Sicherlich ist Lidl kein herzensguter Weltenretter, aber die Maßnahme könnte ein kleiner Schritt sein, auch die Menschen ins Boot zu holen, die vorher niemals über vegan nachgedacht haben.
Zudem wird es sicher interessant sein, ob andere Supermärkte und Discounter dem Beispiel folgen. Jedenfalls bedeutet der Einstieg eines Big-Players auch immer, dass sich am Markt wieder mehr tut.
Quellen
[1] Vgl. Deutsche Umwelthilfe: Lidl-Greenwashing-Kampagne zu Einweg-Plastikflaschen: Deutsche Umwelthilfe wartet immer noch auf Gespräch mit Lidl-Geschäftsführung und Günther Jauch, 27.07.2023, https://www.duh.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/lidl-greenwashing-kampagne-zu-einweg-plastikflaschen-deutsche-umwelthilfe-wartet-immer-noch-auf-ges/, Abruf am 17.10.23
[2] Vgl. Tagesschau.de: Warum Discounter Lidl die Preise seiner veganen Eigenmarken senkt, 13.10.2023, https://www.tagesschau.de/inland/regional/badenwuerttemberg/swr-warum-lidl-die-preise-seiner-veganen-eigenmarken-senkt-100.html, Abruf am 17.10.23
[3] Vgl. SWR: Deshalb sind Fleischersatzprodukte so teuer, von Janina Schreiber, 01.02.2023, https://www.swrfernsehen.de/marktcheck/vegan-vegetarisch-glutenfrei-warum-sind-ersatzprodukte-so-teuer-100.html, Abruf am 17.10.23