Restaurants, in denen es nur Fleisch gibt, Diskussionen mit selbst ernannten Ernährungsexpert:innen, dumme Sprüche und dämliche Witze — als Veganer oder Veganerin ist es nicht leicht. Da stellt sich doch die Frage: “Warum mach ich es dann trotzdem?”
Inhalt
- Veganerin oder Veganer sind doch selbst schuld
- Warum wird man dann also Veganerin oder Veganer?
- Die 4 wichtigsten Gründe, warum Menschen vegan leben wollen, sind:
- Darum werden Menschen Veganer:innen
- Quellen
Veganerin oder Veganer sind doch selbst schuld
Kennt ihr diesen Witz?
Frage: „Woran erkennt man einer Veganer?“
Antwort: „Er erzählt es einem.“
Damit wird vegan lebenden Menschen unterstellt, dass sie wie Missionare in die Welt ziehen und alle zu ihrer Lebensweise bekehren wollen. Allerdings haben weder ich oder Bekannte von mir, jemals einen Omnivoren bekehren wollen. Meist erzähle ich es niemanden, wie ich lebe. Ich hab einfach keinen Bock auf die immer gleichen Diskussionen. Omnivor lebende Menschen mutieren ja sofort zu Ernährungswissenschaftlern, wenn sie hören, dass jemand vegan lebt. Sie erklären dir dann garantiert, wie ungesund deine Lebensweise ist, während sie sich einen Double-Cheeseburger reinpfeifen, dazu einen Liter Cola Light schlürfen und danach zwei Schokoriegel verputzen.
Das, was das Bundesinstitut für Risikobewertung in seinem Abschlussbericht „Vegane Ernährung als Lebensstil: Motive und Praktizierung“ schreibt, können sicher viele Veganner:innen unterschreiben. Dort heißt es:
“Praktisch alle Veganer berichten aber auch von unangenehmen Erfahrungen, die von Unverständnis bis hin zu Aggressionen von Personen aus ihrem Umfeld reichen. Diese Ablehnungserfahrung belastet zum Teil derart, dass der Kontakt zu Freunden und Familienmitgliedern abgebrochen wird.”
S. 13, Bundesinstitut für Risikobewertung: „Vegane Ernährung als Lebensstil: Motive und Praktizierung. Abschlussbericht“ von Mario Hopp, Tamara Keller, Stefanie Lange (hopp Marktforschung),
Astrid Epp, Mark Lohmann, Gaby-Fleur Böl (alle BfR), Berlin 2017, https://mobil.bfr.bund.de/cm/350/vegane-ernaehrung-als-lebensstil-motive-und-praktizierung.pdf, Abruf am 07.02.23
Ich hatte in dieser Beziehung Glück. In meinem Umfeld musste ich zu niemanden den Kontakt abbrechen. Jeder und jede akzeptiert meine Lebensweise. Eher im Gegenteil, einige sind sogar richtig neugierig darauf. Allerdings erzählten mir Bekannte genau das, was das Bundesinstitut herausfand.
Restaurant-Suche
Einer der wenigen Gründe, weshalb ich jemanden erzähle, dass ich Veganer bin, ist, wenn es um die Restaurantwahl geht. In einer von Omnivoren dominierten Gesellschaft muss ich das schließlich. Immerhin bedeutet „Essen gehen“ für den Großteil der Deutschen: Fleisch! Das heißt für mich: Gerade, wenn ich mich in kleineren Städten oder dörflichen Gegenden aufhalte, wird die Zeit dort zu einer unfreiwilligen Hungerkur.
Ihr merkt schon, Schwierigkeiten beim Essengehen, Diskussionen mit selbsternannten Ernährungswissenschaftlern, verbitterte Freunde, blöde Witze – Veganerinnen und Veganer könnten doch viel einfacher leben, wenn sie es sein ließen. Wenn sie wie alle Anderen Steak, Burger und Wurst essen würden, müssten sie nicht diese vielen praktischen und sozialen Hindernisse überwinden.
Vielleicht stehen ja vegan Lebende einfach darauf, sich das Leben unnötig schwer zu machen?
Das stimmt auf keinen Fall. Es gibt zwar in Serien und bei Stand-up-Comedians gern die ewig streitsuchende Veganerin als Klischee-Figur und erst vor kurzem hat ja Tessa Bergmeier im Dschungelcamp diesem veganen Klischee leider sehr entsprochen – ein echter Bärendienst für alle vegan lebenden Menschen. In meinem Bekanntenkreis gibt’s aber niemanden, der auf Streit aus ist oder gern missioniert. Ich bin mir sicher, dass das für die meisten Veganerinnen und Veganer gilt. Das hat übrigens auch das Bundesinstitut für Risikobewertung herausgefunden, also, dass sich „die Mehrheit der Veganer (…) jedoch eher zurückhaltend (verhält)“. [2]
Warum wird man dann also Veganerin oder Veganer?
Natürlich ist vegan zurzeit nicht nur verrufen. In bestimmen Kreisen ist es auch einfach „schick“, ohne Fleisch und tierische Produkte zu leben. Doch vegan als Modetrend anzusehen, den man jetzt mal mitmacht, das ist zu kurz gedacht. Bei vegan geht es nämlich um viel mehr, und dieses „Mehr“ ist im Endeffekt der Grund, weshalb sich Menschen entschließen, vegan zu leben. Selbst wenn sie dadurch viele Nachteile „genießen dürfen“.
Die 4 wichtigsten Gründe, warum Menschen vegan leben wollen, sind:
1. Tierwohl
Tiere umzubringen, nur damit jemand sie essen kann, widerstrebt vegan Lebenden. Auch die Vorstellung, dass Tiere gezüchtet werden, damit sie für uns Eier legen oder Milch geben ist ihnen zuwider. Besonders, wenn wir bedenken, wie diese sogenannten Nutztiere leben müssen.
Beispiel Milch -> Milchkühe werden max. 6 Jahre, aber Kühe leben normalerweise 20 Jahre
Die meisten Menschen denken, dass Kühe einfach so Milch geben. Das ist Quatsch! Sie werden künstlich befruchtet, dann wird ihnen das Kälbchen weggenommen, damit wir Menschen die Milch abmelken können, die eigentlich für das Junge bestimmt ist. Die meisten Kälber werden nach ein paar Tagen oder gleich nach der Geburt getötet. Das Neugeborene sofort zu töten, ist zwar in Deutschland illegal, aber für die Bauern billiger, als es durchzufüttern. Außerdem kontrolliert niemand die Milchbauern in dieser Hinsicht. Nur ein paar weibliche Kälber werden aufgezogen und müssen dann als Milchkuh das gleiche Schicksal ertragen wie ihre Mütter.
Weil die Kuh nach circa einem Jahr keine Milch mehr gibt, das Kälbchen wäre jetzt auf anderes Futter umgestiegen, muss sie wieder befruchtet werden. Das geschieht schon nach 5 bis 6 Wochen,[3] da die Tragezeit 9 Monate und 14 Tage beträgt.[4] Die Kuh wird drei bis fünf Mal befruchtet, dann sinkt ihre Milchleistung so sehr, dass sie zum Abdecker kommt. Sie wird also maximal 6 Jahre. Eine Kuh, die nicht als Milchkuh ausgebeutet wird, lebt circa 20 Jahre. Damit ist klar, dass auch tierische Produkte, die scheinbar das Tier nicht töten, es doch tun.[5]
Mehr Infos zum Thema Milchkühe findet ihr hier: Geben Kühe Milch auch ohne Kalb?
2. Umwelt
Schauen wir mal auf die ökologischen Fußabdrücke von Lebensmitteln und Gerichten in Deutschland. Die hat 2020 das Institut für Energie und Umweltforschung Heidelberg ermittelt.
Tabelle: CO2-Fußabdruck für Obst und Gemüse (zufällige Beispiele)[6]
Lebensmittel | CO2-Fußabdruck (kg CO2-Äq. / kg Lebensmittel) |
Apfel (Neuseeland) | 0,8 |
Apfel (regional) | 0,3 – 0,4 |
Banane | 0,6 |
Blumenkohl | 0,2 |
Erdbeeren (Sommer) | 0,3 |
Kartoffeln (frisch) | 0,2 |
Spargel | 0,7 |
Rotkohl (Glas) | 0,7 |
Tomaten (Durchschnitt) | 0,8 |
Zwiebeln | 0,2 |
Tabelle: CO2-Fußabdruck für Eier – und Milchprodukte (zufällige Beispiele)[7]
Lebensmittel | CO2-Fußabdruck (kg CO2-Äq. / kg Lebensmittel) |
Butter | 9,0 |
Ei | 3,0 |
Käse (Durchschnitt) | 5,7 |
Vollmilch (Karton) | 1,4 |
Quark | 3,3 |
Sahne | 4,2 |
Tabelle: CO2-Fußabdruck für Fleisch (zufällige Beispiele)[8]
Lebensmittel | CO2-Fußabdruck (kg CO2-Äq. / kg Lebensmittel) |
Fisch (Aquakultur) | 5,1 |
Hähnchen (gefroren) | 5,7 |
Rindfleisch (Durchschnitt) | 13,6 |
Schweinefleisch (Durchschnitt) | 4,6 |
Wurst, Bratwurst, Thüringer Rostbratwurst | 2,9 |
Wildfleisch (Hirsch) | 11,5 |
Sehen wir uns nur die CO2-Fußabdrücke an, dann wird schnell klar, dass Obst und Gemüse hier die Nase vorn haben. Wer also an die Umwelt denkt, kommt um vegan kaum drumherum.
Natürlich ist mit dem Thema Umwelt nicht der CO2-Fußabdruck der Lebensmittel gemeint. Der Wasserverbrauch der Landwirtschaft ist gerade in immer trockener werdenden Sommern ein extrem wichtiges Thema. Auch hierzu hat das Institut für Energie und Umweltforschung Heidelberg geforscht und Folgendes herausgefunden:
Tabelle: Wasser-Fußabdrücke im Vergleich (zufällige Beispiele)[9]
Lebensmittel | Wasser-Fußabdruck (L Wasser- Äq. / kg LM / kg Lebensmittel) |
Mischbrot | 600 |
Butter | 10.000 |
Milch (Vollmilch) | 2.000 |
Ei | 900 |
Hähnchen (Durchschnitt) | 20.000 |
Rindfleisch | 20.000 |
Quark | 3.000 |
Zugegeben es gibt auch sehr wasserintensive vegane Lebensmittel wie etwa Reis. Hierfür sind 60.000 Liter Wasser pro Kilogramm notwendig.[10] Allerdings können wir der Reispflanze daraus keinen Strick drehen, dass sie überwiegend im Nassanbau gedeiht.[11] Der Wasserverbrauch den allerdings Hähnchenzucht oder Milchkühe verursachen, ist schon beachtenswert. In Gegenden, wo Wasser im knapper wird, kann also mit gutem Gewissen gar keine Massentierhaltung mehr betrieben werden.
Was ist mit Soja?
Wenn Omnivoren Veganern mal wieder die Welt erklären, dann kommt immer ein Argument: „Und was ist mit dem Soja? Für Deine Soja-Schnitzel wird der ganze Regenwald abgeholzt!“ Dabei vergessen die lieben Fleischesser eine Sache: 80 Prozent des weltweit angebauten Sojas geht in die Tierfütterung. In einem Geflügeldöner steckt damit viermal so viel Soja wie in einem Tofudöner.[12]
3. Gesundheit
Das Thema Gesundheit und vegane Ernährung habe ich ja schon in diesem Artikel durchleuchtet: „Ist vegane Ernährung ungesund?“
Doch für alle „Lesefaulen“ unter euch gibt es hier kurz ein paar harte Fakten zum Thema Gesundheit und Veganismus:
- Veganer:innen erkranken zu 50 Prozent weniger an Diabetes mellitus Typ 2.[13]
- Das Risiko für Bluthochdruck ist bei Veganer:innen 20 bis 50 Prozent geringer.[14]
- Veganer:innen haben eine rund 25 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit für eine ischämische Herzkrankheit (z. B. Herzinfarkt).[15]
- Das Risiko an Krebs zu erkranken ist ei Veganer:innen etwa 15 bis 20 Prozent geringer.[16]
Tatsächlich haben auch einige meiner Bekannten mit veganer Ernährung richtig gut abgespeckt. Das berichten übrigens viele Menschen, aber eine Garantie für den Traum-Body gibt es leider auch als Veganer:in nicht. Wenn ihr mehr dazu lesen wollt, dann schaut mal hier: Kann man mit veganer Ernährung abnehmen?
4. Soziale Aspekte
Tatsächlich sind die sozialen Aspekte des Veganismus nicht ohne. So wird allein in Deutschland 57 Prozent der Ackerfläche für den Anbau von Futter für unsere Nutztiere verwendet. Nur auf 25 Prozent der Fläche wachsen Pflanzen, die für uns Menschen bestimmt sind.[17] Dabei importieren wir schon jede Menge Futtermittel etwa aus Südamerika für unsere Schweine, Stichwort: Sojaschrot. [18]
In ärmeren Ländern der Welt ist dieses Missverhältnis zwischen Nahrungsmittel- und Futtermittelanbau noch schlimmer. Wenn Ackerflächen in Südamerika, Asien oder Afrika nur dafür da sind, dass unsere Schweine fett werden, dann werden die Menschen vor Ort hungern. Es setzt unweigerlich eine Wanderungsbewegung ein. Und zu welchen Ländern werden die Menschen wohl wandern?
Weiterhin ist bekannt, dass in der deutschen Fleischindustrie lange Jahre Menschen gerade aus osteuropäischen Ländern ohne Gnade ausgebeutet wurden. Glücklicherweise hat sich die Situation 2020, ausgelöst durch die Corona-Skandale bei Tönnies und Co., verbessert. Jedoch eitel Sonnenschein herrscht in dem Gewerbe auf keinen Fall. Geldabzug bei Krankheit, schwerste körperliche Arbeit usw. sind gang und gäbe. Fleisch macht Menschen also nicht nur als Nahrung krank, sondern auch die Menschen, die dieses Fleisch „produzieren“.[19]
Darum werden Menschen Veganer:innen
Es gibt noch wesentlich mehr Gründe, um sich der veganen Lebensweise zu verschreiben. Doch ich denke, allein die vier genannten, zeigen schon, dass es fast gar nicht anders gehen wird. Wir müssen einfach vegan als Standard sehen und nicht mehr als Ausnahme. Schaffen wir das nicht, dann wird unsere Zukunft sich kaum lebenswert gestalten lassen – für uns Menschen, die Tiere und die Natur.
Quellen
[2] S. 13, Bundesinstitut für Risikobewertung: „Vegane Ernährung als Lebensstil: Motive und Praktizierung. Abschlussbericht“ von Mario Hopp, Tamara Keller, Stefanie Lange (hopp Marktforschung), Astrid Epp, Mark Lohmann, Gaby-Fleur Böl (alle BfR), Berlin 2017, https://mobil.bfr.bund.de/cm/350/vegane-ernaehrung-als-lebensstil-motive-und-praktizierung.pdf, Abruf am 07.02.23
[3] Vgl. Bundesinformationszentrum Landwirtschaft: „Gibt die Kuh auch ohne Kalb Milch?“, 15.10.22, https://www.landwirtschaft.de/landwirtschaft-verstehen/haetten-sies-gewusst/tierhaltung/gibt-die-kuh-auch-ohne-kalb-milch, Abruf am 06.02.23
[4] Vgl. Farmchamps: „Die Geburt einer Kuh – was gibt es zu beachten?“ von Nina, https://www.farmchamps.de/kuh-geburt, Abruf 06.02.23
[5] Vgl. Vegpool: „Geben Kühe Milch auch ohne Kalb?“ von Kilian Dreißig, 5.12.2022, https://vegpool.de/magazin/geben-kuehe-milch-ohne-kalb.html, Abruf am 06.02.23
[6] Vgl. S. 8–9, Institut für Energie und Umweltforschung Heidelberg: „Ökologische Fußabdrücke von Lebensmitteln und Gerichten in Deutschland“ von Dr. Guido Reinhardt, Dipl.-Phys. Ing. Sven Gärtner, M. Sc. Tobias Wagner. 2020, https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/6232/dokumente/ifeu_2020_oekologische-fussabdruecke-von-lebensmitteln.pdf, Abruf am 07.02.23
[7] Vgl. S. 11–12, ebd.
[8] Vgl. S. 13–14, ebd.
[9] Vgl. S. 19–20, ebd.
[10] Vgl. S. 20, ebd.
[11] Vgl. Wikipedia: „Nassreisanbau“ in „Reis“, https://de.wikipedia.org/wiki/Reis#Nassreisanbau, Abruf am 07.02.23
[12] Vgl. Focus: „Was es Gesundheit und Umwelt bringt, wenn Sie vegan leben“ von Monika Preuk, 05.02.23, https://www.focus.de/gesundheit/ernaehrung/veganuary-2023-so-beliebt-wie-nie-was-es-gesundheit-und-umwelt-bringt-wenn-sie-vegan-leben_id_12194291.html, Abruf am 07.02.23
[13] Vgl. ebd.
[14] Vgl. ebd.
[15] Vgl. ebd.
[16] Vgl. ebd.
[17] Vgl. BUND: „Fleischkonsum der Deutschen schadet Klima und Umwelt im Ausland“, 09.02.2022, https://www.bund.net/themen/aktuelles/detail-aktuelles/news/fleischkonsum-der-deutschen-schadet-klima-und-umwelt-im-ausland/, Abruf am 07.02.23
[18] Vgl. ebd.
[19] Vgl. Deutschlandfunk: „Zwei Jahre nach den Corona-Ausbrüchen in der Fleischindustrie“ von Manfred Götzke, 14.06.22, https://www.deutschlandfunk.de/corona-fleischindustrie-toennies-bilanz-100.html, Abruf am 07.02.23